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VON HOLGER VONHOF
Mit Dampf wurde noch in den 1930er Jahren ausgeliefert. Der Lastzug mit zwei Hängern hat ein Bremserhäuschen. © Alle Fotos: Archiv Anton Schneider 5
Als noch keiner an marktschreierische Baumarkt-Rabatt-Angebote für „alles außer Tiernahrung“ dachte, gründete Anton Schneider im Dörfchen Schwanheim seine Kohlen- und Holzhandlung. Aus ihr wurde der Baustoff-Groß- und Einzelhändler Anton Schneider 5., der jetzt125-jährigesBestehen feiert. In den vergangenen Jahrzehnten war die Firma als Großhändler quasi an allen wichtigen Bauprojekten der Region beteiligt.
Schwanheim – Ein von Bauern und Fischern geprägtes Dorf weit vor den Toren Frankfurts war Schwanheim im Jahr 1900. Bis zur Eingemeindung 1929 war es noch eine Generation hin. Das Deutsche Reich unter Kaiser Wilhelm II. war geprägt von wirtschaftlichem Wachstum, technologischem Fortschritt– und großen gesellschaftlichen Verwerfungen. Das Berlin des Jahres 1900 war von Schwanheim Welten entfernt. Und doch gründete ein gewisser Anton Schneider damals eine Handelsgesellschaft, vorwiegend für Kohle, mit der geheizt wurde, aber auch für Holz und andere Baustoffe. Das Büro befand sich in seiner Wohnung.
Es war ein Job für Männer mit Muskeln. Kohle wurde in Flechtkörben von den Pferdefuhrwerken in die Keller der Kunden getragen; die Wochenarbeitszeit betrug 60 bis 75 Stunden. In den 1920er Jahren, nach überstandenem 1. Weltkrieg, übernahmen Anton Schneiders Söhne das Geschäft. Es standen schwierige Jahre und sogar Jahrzehnte bevor, angefangen mit Weltwirtschaftskrise und Hyperinflation über die Nazizeit und den 2. Weltkrieg bis hin zum Zusammenbruch mit der Kapitulation Deutschlands.
Alles von Hand abgeladen
Es gelang den Inhabern jedoch, ihre Firma durch diese Folge von Krisen und Katastrophen zu steuern. Lastwagen erleichterten nun zwar den Transport, aber ausgeladen wurde von Hand – etwa 50 Kilo schwere Zementsäcke.
Aber die Konkurrenz war – ohne Internet und die heutigen Transportmöglichkeiten – geografisch sehr begrenzt „Man hatte quasi ein Monopol“, sagt Dirk Schneider, Urenkel des Gründers. Nach dem 2. Weltkrieg – Antons Sohn Leopold war gefallen – ging es während des Wirtschaftswunders mit „Anton Schneider 5.“ unter Anton Josef, Anton August sowie Maria und Leo Schneider schnell und steil bergauf: „Das Lager, das Verwaltungsgebäude und der Baumarkt ermöglichten ein immer breiteres Sortiment und einen größeren Warenumschlag“, berichtet Dirk Schneider.
Heute könne man „Anton Schneider 5.“ mit einem großen Schiff vergleichen. Dieses Schiff durch die aktuell stürmischen Zeiten zu führen, sei eine große Herausforderung und Verantwortung, räumte er ein mit Blick auf den eingebrochenen Markt der Branche und die Rahmenbedingungen. „Heute müssen die Segel ständig neu überprüft und korrigiert werden. Und manchmal müssen wir das Schiff auch umbauen, um es robuster zu machen.“
Dirk Schneider dankt „der tollen Mannschaft“, seinem Vater Leo und dessen im Jubiläumsjahr verstorbenen Bruder Toni. Klaus Leopold und Anton August Schneider haben die Geschehnisse von „Anton Schneider 5.“ für mehr als die Hälfte der Unternehmensgeschichte entscheidend mitgeprägt. Aktuell und bereits seit 15 Jahren werde das Schiff von dem „unermüdlichen und proaktiven Kapitän“, Geschäftsführer Michael Weber, sicher auf Kurs gehalten, unterstützt von Prokurist Stefan Reischl, der seit Jahrzehnten eine wertvolle Unterstützung für das Unternehmen in allen Bereichen und insbesondere nahezu allen Projekten sei.
Für Dachdecker und Zimmerleute
Etwa bei der Entscheidung, 2015 mit allen Waren „rund ums Dach“ vom angestammten Gelände in das neue Gewerbegebiet auf der anderen Seite der Schwanheimer Uferstraße zu ziehen, das frühere Klärwerk. „Wir haben eine solide Finanzsituation sowie zwei hervorragende Standorte an bester Lage, wir sind kompetent, dynamisch und erfahren und wir sind unabhängig und somit flexibel und schlagkräftig, um uns erfolgreich den neuen Herausforderungen zu stellen“, sagt Dirk Schneider. „Die notwendigen Investitionen und Modernisierungen der Geschäftsführung in die Standorte erfolgten immer vorausschauend mit dem Ziel, wettbewerbsfähig zu bleiben, aber auch die notwendige Stabilität in schwierigen wirtschaftlichen Phasen wie im Moment zu gewährleisten“, sagt Co-Geschäftsführer Michael Weber; er ist seit 36 Jahren im Unternehmen. Anton Schneider 5. sei, auch wenn heute an beiden Standorten rund 100 Menschen arbeiten, immer ein familiärer Betrieb geblieben: Die Mitarbeiter Peter Wohlfahrt und Klaus Reviol, die auf einem Foto aus den 1980er Jahren zu sehen sind, sind jüngst erst in Rente gegangen.
Kaum eines der großen Bauprojekte im Großraum Frankfurt ist ohne Anton Schneider 5. verwirklicht worden, seien es die Terminals 1, 2 und 3 sowie das „Squaire“ am Flughafen, das Skyline Plaza oder das Nordwest-Zentrum, das Europaviertel, der Main Tower oder der Messeturm. Auch im Waldstadion stecken Baumaterialien aus Schwanheim. Aber neben den Profis gehen auch Do-it-yourself-Heimerker gern zu Anton Schneider 5. in den gut sortierten Baumarkt an der Geisenheimer Straße 2.
Um sich weiter gut für die Zukunft aufzustellen, ist Timo Schleis zum 1. Oktober in die Geschäftsführung der GmbH berufen worden. Die Baubranche leidet derzeit; die Großkunden haben seit zwei Jahren wenig zu tun. Der Dach-Standort am Schwanheimer Ufer 306 bekommt davon weniger mit: Dachdecker und Zimmerleute haben mehr zu tun als Roh- oder trockenbauer: „Es wird viel saniert“, sagt Dirk Schneider. „Aber die Baukosten sind derzeit zu hoch, und Genehmigungen dauern zu lange.“ Es fehlen derzeit Investoren, auf einen Schlag Baustoffe für 800 Häuser bestellen.